Am 11. Februar startete die Reise zum Zwischenseminar nach Südafrika. Das Wochenende zuvor haben wir noch in Windhoek verbracht und dort Leute, die wir während unserer Reise durch Namibia im Dezember kennengelernt haben, wieder getroffen.
Nach der Landung in Kapstadt fuhren Tom und ich in einem kleinen Shuttle auf direktem Weg in den Ort Oudtshoorn. Auf dem Weg dorthin stellte man sofort fest, dass die Bevölkerung Südafrikas mit knapp 60 Millionen Einwohnern um einiges größer ist als die von Namibia.
Während in Namibia die Straßen zum Großteil einfach durchs Nichts führen, kamen wir innerhalb der fünfstündigen Fahrt von Kapstadt nach Oudtshoorn an vielen kleinen und größeren Ortschaften und Städten vorbei.
Dass Einkommen und Vermögen in Südafrika, ebenfalls wie in Namibia, sehr ungleich verteilt sind, fiel einem auch sehr schnell auf: Wir fuhren an vielen Slums vorbei, auf die gepflegte Gated Communities mit großem Eingangstor und eigenem Sicherheitsdienst folgten.
In Oudtshoorn besuchten wir Luis und Janneke, die ebenfalls mit unserer Organisation „mundus Eine Welt e.V.“ entsandt wurden. Wir haben uns auf den gemeinsamen Vorbereitungsseminaren kennengelernt und wollten nun für ein paar Tage in ihrem Projekt hospitieren.
Die beiden leben auf dem Gelände einer Priestergemeinschaft, welches an ein Township angrenzt. Ihre Hauptaufgabe ist die Arbeit in einer Kindertagesstätte, in die jeden Nachmittag ca. 100 Kinder kommen, um eine warme Mahlzeit zu erhalten, ihre Hausaufgaben zu machen oder einfach zu spielen.
Am Vormittag halfen wir Luis und Janneke, alles vom Vortag aufzuräumen und das Essen vorzubereiten. Nachmittags, wenn alle Kinder da sind, sind die beiden dafür zuständig, die Essensportionen zu verteilen und die Kinder und Jugendlichen zu betreuen. Ich habe mich sehr gefreut, auch hier ein wenig mithelfen zu dürfen.
Innerhalb der wenigen Tage ist mir auf jeden Fall deutlich geworden, wie wichtig auch hier die Arbeit von Freiwilligen ist: Manche Kinder kamen schon deutlich vor der regulären Öffnungszeit der Tagesstätte zum Gelände und warteten mit viel Vorfreude darauf, dass sich das Tor für sie öffnet.
Luis erzählte mir, dass viele der Kinder hier im Projekt ihre einzige warme Mahlzeit am Tag bekommen und es für sie wichtig sei, auch am Nachmittag nach der Schule für ein paar Stunden an einen Ort zu kommen, wo man sie betreut.
Da die beiden über ihr Projekt ein Auto zur Verfügung gestellt bekommen haben, unternahmen wir immer etwas nach der Arbeit in Oudtshoorn und in der Umgebung. So sind wir an einem Abend zu einem Wasserfall gefahren, wo man gut von Klippen springen konnte, haben die berühmten Cango Caves besichtigt und besuchten eine für Oudtshoorn bekannte Straußenfarm, von denen es dort sehr viele gibt.
Vom 17. bis zum 21. Februar fand das Zwischenseminar in dem Örtchen Kleinmond statt. Hier kamen 22 Freiwillige zusammen, die derzeit einen Dienst in den Ländern Südafrika, Botswana oder Namibia absolvieren. Das Seminar wurde von der Erzdiözese Freiburg organisiert und es kamen extra zwei Teamerinnen aus Deutschland, die das Seminar leiteten.
Anfangs war es ganz ungewohnt, wieder mit über zwanzig Personen in einem Raum zu sein, die allesamt Deutsch sprechen und verstehen. Die Gruppe hat sich jedoch unfassbar schnell zusammengefunden und schon nach der Vorstellungsrunde entwickelten sich die ersten Gespräche mit Leuten, die gerade ähnliches durchleben wie man selbst.
Beeindruckt war ich auch davon, in was für unterschiedlichen Feldern die anderen Freiwilligen tätig waren. Während viele, so wie Tom und ich, ebenfalls mit Kindern arbeiten, gab es auch Seminarteilnehmer, die mit den ältesten Menschen innerhalb der Bevölkerung in ihrem Dienst zu tun haben.
Das Seminar war so aufgebaut, dass wir uns innerhalb der ersten Tage mit dem vergangenen halben Jahr und unseren Erlebnissen beschäftigt haben.
Es gab viele Themen, die uns auf den Herzen lagen und über die wir gerne reden wollten: So wurde über den Umgang mit Privilegien, die Rolle des Freiwilligen, Vorurteile oder den Umgang mit Gewalt im Einsatzland oder im Projekt diskutiert.
Es war spannend, Erfahrungen von den anderen zu hören, diese mit seinen eigenen zu vergleichen oder mit theoretischem Input zu verknüpfen.
In der zweiten Hälfte des Seminars haben wir einen Blick in die Zukunft geworfen und uns zum Beispiel Ziele für die verbleibende Zeit in den Projekten gesetzt.
Außerdem haben wir uns in Kleingruppen themenorientiert zusammengefunden, um noch einmal ganz konkret praktische Tipps zu bekommen. Hier habe ich viele neue Spiele kennengelernt, die ich mit den Kindern in der Freizeit in Zukunft umsetzten möchte oder Methoden, die vielleicht dazu beitragen, eine Schulklasse leise zu bekommen.
Sicherlich war das Seminar eine sehr informative und intensive Zeit, die ich für meinen Freiwilligendienst als sehr prägend empfunden habe. Neben den vielen interessanten Themenblöcken hat es einfach Spaß gemacht, wieder sehr viele coole Menschen kennenzulernen, die ich auch hoffentlich in Deutschland noch einmal wiedersehen werde.
Nach dem Seminar ging es für mich wieder zurück nach Kapstadt. Auf der Rückfahrt stellten wir fest, dass viele der Seminarteilnehmer dem gleichen Plan nachgehen wie wir, noch ein paar Tage in Kapstadt zu verbringen.
So trafen wir uns an den nächsten Abenden noch häufiger als große Gruppe und die Freiwilligen, die ihren Dienst in Kapstadt ausüben und hier schon über eine Zeit hinweg lebten, zeigten uns ein paar schöne Plätze, die man als normaler Tourist wohl nicht besucht hätte.
Besonders hat es mir an einem Abend in Trenchtown, einem Restaurant im Studentenviertel Kapstadts, gefallen. Dort gab es für eine Eintrittsgebühr von umgerechnet 6 Euro den ganzen Abend so viel Pizza und Getränke, wie man wollte. Guter Abend! 😀
Auch wenn mir bewusst ist, dass Kapstadt definitiv zwei Seiten hat und ein Großteil der Einheimischen wohl nie die Möglichkeit bekommt, in Kapstadt so zu leben wie ich es in den Tagen getan habe, muss ich sagen, dass mir die Stadt unglaublich gut gefallen hat.
So gibt es das bekannte Zitat „Entweder man verliebt sich in Kapstadt oder man verliebt sich in Kapstadt“ (Einmal ist die Stadt an sich gemeint und einmal eine Person.), welches die Stadt wohl echt gut beschreibt.
Es ist die unvergleichliche Lage, die Kapstadt zu einem wunderschönen Ort macht: Eine so großartige Mischung aus Meer, Stadt und Bergen habe ich zuvor noch nicht gesehen.
Einen Tag haben wir damit verbracht, den Wanderweg vom botanischen Garten auf den berühmten Tafelberg zu gehen, der uns einen gewaltigen Blick von oben auf die Stadt ermöglicht hat.
Einmal sind wir mitten in der Nacht aufgestanden, um im Dunkeln auf den Lions Head zu wandern und dann den Sonnenaufgang über Kapstadt anzuschauen. Wir haben lange oben verweilt, um die Morgenstimmung zu betrachten. In dem Moment ist mir bewusst geworden, wie nah Natur und Stadtleben in Kapstadt beieinander sind.
Die Stadt an sich bietet einem die unterschiedlichsten Stadtviertel: In den wohlhabenden und zugegeben auch sehr touristisch ausgelegten Stadtgebieten treffen dann afrikanische Lebensfreude und Lifestyle auf westliche Lebensstandards.
An der berühmten Waterfront gibt es an jeder Ecke Straßenkünstler, wie zum Beispiel Musiker, die aktuelle afrikanische Pop-Musik, die ich durch meine Schüler zum Glück schon kenne, auf Xylophonen und anderen traditionellen Instrumenten spielen. Dies sorgt für ein sehr lockeres und angenehmes Ambiente.
Erstaunt war ich hier über die Sauberkeit der Stadt: Alles an der Waterfront war so optisch schön und poliert, dass es mich teilweise sehr an Disneyland erinnert hat. Wenn man dann im Vordergrund die schönen Häuser und im Hintergrund den gewaltigen Tafelberg vor sich hat, ergibt dies einfach eine tolle Optik.
Aber nicht nur die Waterfront ist sehenswert, sondern auch in der Long Street mit vielen Bars sowie Clubs und in Woodstock mit all den Graffitis an den Wänden der Häuser lohnt sich ein Besuch.
Es herrscht einfach eine offene und lockere Atmosphäre in der Stadt, die allerorts zum Verweilen einlädt: Überall sieht man Personen aus den verschiedensten Kulturen, die sich von diesem Flair anstecken lassen und ihre Zeit in Kapstadt genießen.
Auch wenn es manchmal so wirkt, aber wie eine europäische Stadt ist Kapstadt dann aber leider doch nicht. Larissa, die direkt in Kapstadt lebt und ebenfalls am Zwischenseminar teilgenommen hat, meinte zu mir, dass sie es zum Beispiel vermissen würde, abends oder nachts noch unbesorgt nach Hause gehen zu können.
Dies konnte ich schnell nachvollziehen, denn auch ich merkte, dass nach Einbruch der Dunkelheit die Straßen von Kapstadt zunehmend unsicherer werden. Wenn wir uns zu dieser Zeit noch fortbewegen wollten, mussten wir uns immer ein Uber bestellen, um uns direkt zu einem Ort bringen zu lassen, zu dem wir gerne wollten.
In den Tagen darauf habe ich mit den Mädchen aus Iilyateko die Garden Route bereist und unter anderem das Kap der guten Hoffnung besucht, die bekannten bunten Strandhäuschen in Muizenberg gesehen, Wanderungen im Tsitsikamma-Nationalpark gemacht und Elefanten gestreichelt. Ich muss gestehen, dass ich nicht gedacht hätte, dass sich die Natur in der Kap-Region so von der mir vertrauten Umgebung in Namibia unterscheidet: Es gibt unzählige Berge und alles ist sehr grün.
Weiter ging es mit dem Bus auf einer zwanzigstündigen Fahrt nach Johannesburg. Ich persönlich fand es interessant, neben Kapstadt noch eine weitere bekannte Stadt in Südafrika zu besuchen.
Die beiden Städte unterscheiden sich nämlich gewaltig:
Während Kapstadt die Stadt des Urlaubs ist, ist Johannesbug der Wirtschaftsmotor des Landes und das Bankenzentrum des südlichen Afrikas. Diesen Puls des Arbeitens hat man sofort beim Betreten der Stadt gefühlt.
Während ich mich in Kapstadt durchgehend relativ sicher gefühlt habe, hatte ich dieses Gefühl in Johannesburg nicht mehr. Schon nach kurzer Zeit sah man viele besetzte Häuser, informelles Wohnen und Armut.
Sofort hat man sich sehr viele Gedanken darüber gemacht, wohin man gerade in der Stadt geht und ob es in der Gegend sicher ist. Mich beherrschte ein beklemmendes Gefühl, welches ich so in keiner Stadt zuvor gespürt habe.
Trotzdem war ich froh, dies alles einmal gesehen zu haben, denn die Stadt durchläuft derzeit eine Entwicklung: Während der Zeit in Johannesburg haben wir im Szene-Viertel Maboneng übernachtet, in dem in den letzten Jahren eine Gentrifizierung stattgefunden hat. Die Aufwertung spürte man überall, sodass an jeder Ecke Ateliers, Kunstgalerien oder gemütliche Restaurants und Cafés warteten.
Mein Highlight war ein kleines Programmkino, welches wir an einem Abend auch besucht und den Film „Parasite“ geschaut haben.
Mich hat es sehr gefreut, dass es geklappt hat, dass Franz, den wir beim Zwischenseminar kennengelernt haben, uns besuchen konnte. Er arbeitet in einem Projekt in Pretoria und so war sein Weg nach Johannesburg nicht allzu weit.
Mit ihm zusammen waren wir im „Gold Reef City“, dem größten Freizeitpark im südlichen Afrika. Es war sehr seltsam, in diesem Meer aus Armut ein schön gepflegtes Gelände eines Freizeitparks zu betreten, aber genau dieses Bild der Ungerechtigkeit lässt sich auf ganz Südafrika übertragen. Dennoch war es ein sehr schöner und einmal ein ganz anderer Tag und ich habe mich als Fan sehr gefreut, nun auch einmal ein paar Achterbahnen in Afrika gefahren zu haben.
Eine Erfahrung, die sich durch die gesamte Zeit in Südafrika durchgezogen hat, war das sogenannte „Load Shedding“. Da ein großer Energiekonzern Südafrikas in der Existenzkrise steckt, da er die Wartung der Infrastruktur vernachlässigt hat und so den Bedarf nicht mehr decken kann, wird derzeit fast täglich für mehrere Stunden geplant der Strom abgestellt. Dies stellt natürlich eine große Belastung für das Privatleben, die Wirtschaft und auch die Sicherheit des Landes dar.
Ich persönlich bin einmal Auto gefahren, als der Strom abgedreht wurde und in dem Moment wurde mir erstmal bewusst, dass ja auch auf einmal keine Ampel mehr funktioniert.
Insgesamt bin ich sehr dankbar für die Möglichkeit, neben Namibia noch ein anderes afrikanisches Land während meines Freiwilligendienstes sehen zu dürfen: Zum einen zeigte es mir, dass sich die beiden Länder in Teilen ähneln. Dies liegt wohl an der gemeinsamen Vergangenheit und an der Tatsache, dass Namibia wirtschaftlich von Südafrika abhängig ist. Viele der Fast-Food-Ketten oder Geschäfte in Namibia kommen aus Südafrika, weswegen das Stadtbild teilweise sehr ähnlich ist.
Auf der anderen Seite überwiegen jedoch die vielen Unterschiede, die den beiden Ländern ihre Identität geben, sei es die verschiedenen Kulturen und Stämme innerhalb der Länder, historisch bedingte Einflüsse (u.a. durch andere Nationen) oder die verschiedenen Sprachen.
Ein Priester im Projekt von Oudtshoorn sprach bezüglich dieser Thematik in etwa folgenden Satz: „Das ist doch genauso in Europa: Russland und Deutschland sind zwar auch beide auf demselben Kontinent, sind sich doch aber nicht ähnlich.“
Dies war wieder für mich einmal der Beweis, dass man Afrika, wenn man in der westlichen Welt aufgewachsen ist, nicht als eine arme homogene Masse sehen darf, sondern dass es auch hier die unterschiedlichsten Bräuche, Kulturen und Länder mit ihren eigenen Vergangenheiten und Wiedererkennbarkeiten gibt.