Am 15. Januar waren die Sommerferien in Namibia vorbei und ein neues Schuljahr stand in den Startlöchern.
Tom und ich reisten, wie auch die meisten Schüler, schon am 14. Januar wieder nach Oshipeto.
Am Anfang habe ich den Norden Namibias gar nicht wiedererkannt: Während ich die Landschaft rund um mein Projekt immer als sehr kahl, grau und trocken in Erinnerung behalten habe, erstreckten sich nun auf einmal die grünsten Wiesen mit blühenden Bäumen und Sträuchern vor uns. Immer wieder fuhr man an kleinen Seen vorbei, die sich während der Regenzeit einfach aus dem Nichts gebildet hatten.
Jetzt habe ich verstanden, warum ein Großteil der Gespräche mit den Einheimischen von dem fehlenden Regen gehandelt hat: In der Regenzeit merkte selbst ich als Außenstehender, wie eine große Welle der Euphorie durch die Gesellschaft schwappte: Jeder war nun damit beschäftigt, seine Felder zu bewirtschaften und den Regen, so gut wie es geht, zu nutzen.
Ich hätte nie gedacht, dass sich eine Landschaft innerhalb einer so kurzen Zeit so massiv verändern kann.
Auf dem Weg in unser kleines Dorf haben wir schon viele unserer Kinder mit ihren Familien getroffen. Es war einfach ein tolles Gefühl, als diese aus den Autos heraus laut „Tom und Sebastieeen“ zu uns riefen. Da wurde einem sofort bewusst, dass anscheinend nicht nur ich die Schüler während der Ferien vermisst habe, sondern diese auch einen selbst.
Nachdem wir anderthalb Monate quer durch Namibia gereist sind, war die Vorfreude auf Oshipeto sehr groß: Auf der einen Seite habe ich die aufregende Zeit des Reisens sehr genossen, auf der anderen Seite war es einfach ein tolles Gefühl, an diesen ruhigen, kleinen und vertrauten Ort mitten im Nirgendwo zurückzukehren.
Auch von den Schwestern und den anderen Lehrern wurden wir herzlich begrüßt und ich glaube, alle waren sehr froh, die Anderen gesund und munter wiederzusehen.
Obwohl auf den ersten Blick das Schulgelände genauso aussah wie zu dem Zeitpunkt, als wir es verlassen hatten, merkte ich schnell, dass sich doch einiges während unserer Abwesenheit verändert hatte: Sehr erfreut war ich darüber, dass die Klassenräume der 1.-3. Klasse einen neuen, schönen Boden bekommen haben. Wie sich später herausstellte, lieben es die Kinder zwar, auf den glatten Fliesen Anlauf zu nehmen und dann ein paar Meter durch die Klasse zu schlittern, was manchmal während des Unterrichts echt nervig sein kann, aber generell sorgen die neuen Böden für eine schönere Lernatmosphäre in den Klassenräumen.
Traurig war ich, als ich erfahren habe, dass Ms. Milanda, die die Grade 0 an unserer Schule unterrichtet hat, nicht mehr an der Schule arbeiten wird, weil sie zum neuen Schuljahr die Schule gewechselt hat.
Mit ihr und ihrem zweijährigen Sohn haben Tom und ich uns sehr gut verstanden und oftmals gemeinsam zu Abend gegessen. Das wird mir in Zukunft mit Sicherheit fehlen.
Am Vormittag des ersten Schultags haben sich alle Kinder vor der Schule versammelt, damit die Klasseneinteilung verlesen werden konnte.
Dies hieß für Tom und mich, dass wir den Großteil der Schülerinnen und Schüler unserer ehemaligen dritten Klasse abgeben mussten, weil diese zukünftig in die vierte Klasse gehen werden.
Das fanden wir beide sehr schade, da wir die Klasse sehr mochten und mit ihnen auch anspruchsvollere Spiele im Sportunterricht wie Völkerball oder im Kunstunterricht kleine Theaterstücke umsetzen konnten.
Stattdessen haben wir nun eine komplett neue erste Klasse bekommen, die mit knapp vierzig Schülern nicht gerade klein geraten ist.
Da viele der Schüler erst in der ersten Klasse auf Englisch unterrichtet werden, ist die Sprachbarriere dementsprechend groß.
Einen Konflikt zwischen zwei Schülern verbal auf Englisch zu klären, bereitet uns große Schwierigkeiten.
Ich bin sehr froh darüber, dass wir mittlerweile schon ein wenig Erfahrung im Unterrichten haben und wir uns so schon früh Strategien überlegen konnten, um die Klasse in den Griff zu bekommen. Dabei legen wir vor allem im Sportunterricht viel Wert darauf, dass alle Stunden den gleichen Aufbau besitzen:
So bilden wir vor jeder Sportstunde eine lange Schlange vor dem Klassenraum und gehen dann „wie ein Zug“ hinüber zum Sportfeld, wo sich die Kinder in einem Kreis aufstellen müssen.
In diesem Kreis zeigen Tom und ich den Kindern aus der Mitte heraus verschiedene Dehnübungen, bevor wir dann mit dem eigentlichen Thema der Stunde beginnen.
Diese Struktur haben die Kinder schon gut verinnerlicht und es klappt von Stunde zu Stunde besser.
Passend zur Jahreszeit haben wir mit unseren älteren Klassen eine Unterrichtseinheit zum Thema Karneval organisiert und haben unter anderem mit der 2. und 3. Klasse Masken gebastelt.
Da Tom und mir bewusst war, dass wir am 11. Februar bereits wieder zum Zwischenseminar nach Südafrika aufbrechen werden, haben wir beschlossen, in den kommenden Wochen viel Zeit im Projekt zu verbringen und haben auch an den Wochenenden Oshipeto nicht verlassen.
Im Nachhinein war dies wohl genau die richtige Entscheidung, weil wir so viel Zeit hatten, unsere neuen Schüler auch außerhalb des Schulalltags kennenzulernen und die Beziehungen zu den anderen Kindern im Hostel zu stärken.
An den Abenden am Wochenende haben wir oft getanzt und an einem Wochenende über zwei Abende hinweg den ersten Harry-Potter-Film geschaut.
Als wir an einem Abend den Beamer schon früher aufgebaut haben, zeigte ich meinen Schülern einen der LEGO Filme, den ich zusammen mit meinem Paderborner Team produziert habe. Zu meiner Freude konnte der Großteil der Kinder mit dem Begriff „LEGO“ etwas anfangen und vor allem die Älteren haben sehr aufmerksam zugeschaut und mir hinterher noch Fragen zur generellen Filmtechnik oder zu bestimmten Szenen gestellt.
Wenn wir am Wochenende eine kleine Disko für unsere Kinder veranstalten, hatten wir am Anfang unseres Freiwilligendienstes ein wenig Schwierigkeiten, Musik zu finden, die bei den Kindern gut ankommt.
Relativ schnell merkte man, dass schon in den Jahren zuvor Freiwillige aus Deutschland im Projekt waren und die Kinder aus diesem Grund liebend gern Macarena tanzen.
Auf den Großteil der Pop-Musik, die in Amerika oder Deutschland populär ist, reagieren die Kinder eher gelangweilt und hören lieber südafrikanische oder namibische Pop-Musik.
Durch Taxifahrten, Barbesuche und Gespräche mit den Kindern kennen Tom und ich mittlerweile viele der bekannten Interpreten, die im südlichen Raum Afrikas aktiv sind. Ich muss zugeben, so langsam gefällt mir die namibische Pop-Musik so gut, dass ich sie schon lange nicht mehr nur zusammen mit den Kindern, sondern auch in meiner Freizeit höre.
Einmal, als wir mit unseren Kindern getanzt haben, hatte ich einen Track von dem Paderborner Musikstudio „IMAscore“, der für die Wasserbahn „Chiapas“ im Phantasialand komponiert wurde, in der Playlist.
Nachdem der Song durchgelaufen war, kamen schon die ersten Kinder auf mich zu und wollten diesen noch einmal hören.
Da die Kinder von da an immer nach dem „German-Song“ gefragt haben, hören wir das Lied nun jedes Mal, wenn wir mit den Kindern zusammen tanzen.
Das Team hinter IMAscore hat sich sehr gefreut, dass der Song auch in Namibia bei den Kindern so gut ankommt und Sebastian Kübler, der Komponist des Songs, meint, dass es kein schöneres Feedback gäbe.
Das Video, wie die Kinder zu dem Lied aus Paderborn tanzen, könnt ihr euch hier ansehen: