Wahlen in Namibia: Eindrücke, Erlebnisse und meine Einschätzung

Am 27. November 2019 standen in Namibia die Präsidentschaftswahlen, gemeinsam mit der Parlamentswahl, an.

Die Wahlen finden in Namibia alle fünf Jahre statt, sodass ich sehr erfreut darüber war, dieses Ereignis in meinem einjährigen Freiwilligendienst miterleben zu dürfen.

Im Folgenden werde ich von meinen ganz persönlichen Eindrücken der Wahl berichten. Es ist gut möglich, dass die Wahl in anderen Regionen des Landes, wie zum Beispiel in der Hauptstadt, noch einmal ganz anders von den Menschen aufgenommen und wahrgenommen wurde.

Im Vorfeld der Wahl habe ich mitbekommen, dass, ähnlich wie in Deutschland, in den Städten in unserer Region Wahlplakate aufgehangen wurden und sich die Lehrer, mit denen ich zusammenlebe, abends über Politik unterhalten haben und dabei so laut geworden sind, dass man sie bis in das Zimmer von Tom und mir hören konnte.

Wahlplakat in einer kleinen Bar in Oshipeto.

Im Gegensatz zu Deutschland fällt einem jedoch auf, dass die Demokratie in Namibia noch sehr jung ist und am Anfang steht: Wegen der großen Dominanz in den Wahlergebnissen regiert seit der Unabhängigkeit im Jahr 1990 die Partei SWAPO (South West African People’s Organization) das Land.

So gewann Hage Geingob von der SWAPO bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 die Wahl mit sage und schreibe 86,73 Prozent.

Hage Geingob trat auch erneut bei den Präsidentschaftswahlen 2019 für die SWAPO an und galt schon im Voraus als klarer Favorit.

Die Opposition hat es in der Region, in der ich meinen Freiwilligendienst ausübe, in meinen Augen immer noch schwer, an Bekanntheit zu gewinnen: Dies mache ich zum einen dadurch fest, dass so gut wie alle Wahlwerbungen, die man am Straßenrand sieht, auf die SWAPO zurückzuführen sind.

Zum anderen baute die SWAPO als einzige Partei in den Wochen vor der Wahl vor Supermärkten und anderen belebten Orten Zelte auf, um dort eine Art Wahlkampf zu betreiben, und wenn man in Taxis mitgefahren ist, haben die Fahrer oft den eigenen Radio-Kanal der SWAPO gehört.

Auch im Klassenraum: Ein Plakat von Hage Geingob.

Selten kam es vor, dass wir ein Plakat einer anderen Partei außer der SWAPO in einer der größeren Städte gesehen haben und waren über jedes Einzelne erstaunt.

Meiner Einschätzung nach erlaube ich mir zu behaupten, dass der Wahlkampf im Norden Namibias in der allgemeinen Bevölkerung wenig über inhaltliche Themen geführt wurde. Viele der Einheimischen, mit denen ich in Kontakt gekommen bin, sind einfach aus Prinzip überzeugt von der SWAPO und liefen mit T-Shirts und Kappen herum, wo groß der Schriftzug der Partei aufgedruckt war.

Zum Verkauf: T-Shirts der SWAPO.

Wenn ich mit Leuten über Politik gesprochen und gefragt habe, warum sie so von der SWAPO überzeugt wären, argumentierten sie mir gegenüber nicht mit aktuellen inhaltlichen Themen, sondern oft mit der Historie des Landes: Bei den Ovambo genießt die Partei wohl ein sehr hohes Ansehen, weil viele Menschen die SWAPO mit der Unabhängigkeit Namibias verbinden.

Über Lösungsansätze, zum Beispiel die schwächelnde Wirtschaft Namibias und die damit verbundene steigende Arbeitslosenquote zu bekämpfen, habe ich in Gesprächen mit Einheimischen ebenso wie auf den Wahlwerbungen an den Ständen im Norden des Landes nichts gehört oder gelesen.

Meine Mitfreiwillige Julia war ein paar Tage vor der Wahl in Outapi, der größten Stadt in unserer Region, und hat einen riesigen Autokorso miterlebt. Dieser glich einer großen Parade, für die die örtliche Polizei sogar die Hauptstraße der Stadt abgesperrt hat.

An den Straßenrändern standen Menschen, die jubelten und feierten und gefühlt jeder, der gerade ein Auto zur Verfügung oder eine Mitfahrgelegenheit gefunden hatte, war auf den Straßen unterwegs.

Fünfzehn Minuten lang wurde dann gehupt, mit Nationalflaggen und Flaggen der SWAPO gewedelt und der Name der Partei gerufen.

Autokorso in Outapi.

So einen Autokorso habe ich in Deutschland immer nur dann miterlebt, wenn der SC Paderborn 07 wieder in die nächst höhere Liga aufgestiegen oder Deutschland Fußball-Weltmeister geworden ist.

Die Vorstellung, dass aufgrund einer Partei so viele Autos in Bewegung gesetzt werden, war mir eher fremd und neu für mich.

Und trotz dieser Erlebnisse würde ich meinen, dass eine Entwicklung im Wahlverhalten der Menschen in unserer Region zu sehen ist. Die jüngeren meiner Lehrerkollegen haben mir berichtet, dass vor allem viele ältere Menschen Hage Geingob wählen.

Die jungen Leute in Namibia stehen laut meinen Kollegen nicht mehr voll und ganz hinter dem Präsidenten und der aktuellen Regierung.

In letzter Zeit traten viele Korruptionsvorwürfe in Zusammenhang mit der aktuellen Regierung an die Öffentlichkeit.

Auch unser Fahrer aus Windhoek meinte, dass er schon lange nicht mehr von der SWAPO überzeugt sei, weil diese „full of corruption“ wäre.

Vielleicht trägt zu dieser Entwicklung auch die Digitalisierung einen großen Teil bei: Alle Schwestern und Lehrer an meiner Schule verfügen über ein Smartphone, über das sie sich in den Wochen vor den Wahlen politische Videos und Reden von Politikern unterschiedlicher Parteien angeschaut haben und sogar politische Texte, die Wahlwerbung ähnelten, in der Whatsapp-Gruppe der Lehrer versendet haben.

Auch wenn man vielleicht auf den Straßen im Norden Namibias nur Plakate der SWAPO sieht, entstehen durch die digitalen Medien weitere „Straßen“, auf denen auch andere Parteien zu Wort kommen.

Viele junge Namibier seien derzeit von Panduleni Itula überzeugt. Er ist ebenfalls ein Mitglied der SWAPO, tritt jedoch als parteiunabhängiger Präsidentschaftskandidat auf. Es ist das erste Mal in der Geschichte Namibias, dass ein Präsidentschaftskandidat unabhängig von einer Partei kandidiert.

Der studierte Zahnmediziner und Rechtsanwalt versprach in seinem Wahlkampf ein Ende der Korruption und warb damit, Ehrlichkeit, Integrität, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Justiz im Land zu fördern.

Er kritisiert ebenfalls die Abläufe und Strukturen innerhalb seiner eigenen Partei: Bisher wird der Präsidentschaftskandidat der SWAPO nämlich nicht demokratisch von den Mitgliedern der Partei gewählt, sondern lediglich von einer kleinen Gruppe bestimmt, die aus den „Anführern“ der Partei besteht.

Aufgrund der Tatsache, dass auch andere Oppositionsparteien wie zum Beispiel die Republikanische Partei (RP) oder die Namibia Economic Freedom Fighters (NEFF) ihre Anhänger dazu aufgefordert haben, Itula zum Präsidenten zu wählen und sich selbst zurückzogen, kam es erstmals in der Geschichte des Landes zu einem Zweikampf zwischen zwei Kandidaten, Amtsinhaber Hage Geingob und Herausforderer Panduleni Itula.

Von diesem Zweikampf hat man jedoch, wie gesagt, im Norden des Landes in der Öffentlichkeit nur bedingt etwas mitbekommen, in Gesprächen mit meinen jungen Kollegen jedoch umso mehr!

Letztendlich hat Hage Geingob, mit einem Verlust von etwa 30 Prozentpunkten gegenüber 2014, die Wahl für sich gewonnen. Er konnte 56,3 Prozent erreichen. Dies war jedoch das niedrigste Wahlergebnis eines Präsidenten seit der Unabhängigkeit.

Während Geingob Stimmen verlor, erreichte Itula mit 29,4 Prozent der Stimmen den höchsten Zuspruch, den jemals ein Zweitplatzierter einer namibischen Präsidentschaftswahl erreichen konnte.

Auch sollte betrachtet werden, welche Kandidaten in den verschiedenen Wahlkreisen gesiegt haben:

In den weiterentwickelten Regionen rund um die Hauptstadt Windhoek, Walvis Bay oder Swakopmund war Itula der Kandidat mit den meisten Stimmen.

In weiten Gebieten des Nordens hingegen konnte Geingob die meisten Stimmen aus den jeweiligen Wahlkreisen gewinnen.

Hier decken sich meine persönlichen Erfahrungen mit den letztendlichen Wahlergebnissen.

Ich finde es spannend zu verfolgen, wie aus diesem tendenziellen „Einparteiensystem“ eine Parteienlandschaft heranwächst, die, was Wählerstimmen angeht, zunehmend kompetitiver wird.

Ich sehe die aktuelle politische Entwicklung Namibias als große Chance für das Land und die Einwohner, da durch die zunehmende Popularität verschiedener Kandidaten und Parteien mehrere Meinungen bezüglich unterschiedlicher Themen entstehen.

Auch in den Folgejahren werde ich sicherlich die Politik in Namibia im Auge behalten und bin gespannt, ob es gelingt, dass sich die Demokratie weiter entfaltet.

Externe Quellen, auf die ich mich beim Schreiben dieses Blog-Eintrags bezogen habe:

https://www.ecn.na/wp-content/uploads/2019/12/Final-Election-Results-Announcement-Speech-ECN-Chair-30-Nov-2019.pdf

https://www.namibian.com.na/195823/archive-read/An-interesting-election-in-Namibia-at-last

https://www.az.com.na/nachrichten/opposition-kritisiert-itula2019-11-07

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